Vor rund 100 Jahren führte Imre Békessy in Österreich einen gut gemachten Boulevardjournalismus ein – freilich kombiniert mit Methoden der Erpressung und Bestechung. … Es war der Beginn einer Serie von großen Polemiken des großen Polemikers, Satirikers, Moralisten Karl Kraus. Ziel war der Zeitungsgründer Imre Békessy, der in den „Roaring Twenties“ in Wien ein zeitweilig überaus erfolgreiches Imperium aufgebaut hatte, das eine unnachahmliche Mischung von modernem Boulevardjournalismus, blattmacherischer Pranke und absolut zynischer Geldmacherei darstellte. …. Békessy selbst gab, als er in einem Ehrenbeleidigungsprozess vor Gericht stand, mit der ihm eigenen, fast entwaffnenden Chuzpe sein publizistisches Credo zum Besten: „Die Zeitung ist, was man Ihnen hier vormachen wird, meine Herren Geschworenen und hoher Gerichtshof, keine moralische Institution (…). Ich bin der Ansicht, dass Bankdirektoren und Banken keine Heiligen sind, ich bin der Meinung, dass diese Institutionen kritisiert werden können mit allen Mitteln. Ich bin auch der Meinung, dass eine Zeitung ein Geschäft ist, das auf der einen Seite mit reinen, auf der anderen Seite mit unreinen Händen geführt wird.“
Békessy gilt Kulturhistorikern als der Erfinder des journalistisch geschickten, politisch gut vernetzten, aber skrupellosen und im Grunde erpresserischen und/oder bestechlichen reinen Kommerzjournalismus.
Hans Rauscher, derstandard.at, 10.10.2021 (online)