Wir stehen mitten in weltweiten Veränderungsprozessen. Aufklärung, Wissensvermittlung durch konsequente Wahrnehmung des Bildungs- und Beratungsauftrages ist geboten. Der Kulturauftrag muss nicht nur in seiner Bedeutung für den einzelnen Menschen gesehen werden, sondern in seiner Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft.
Der Vorschlag des Zukunftsrates wird diesen Aufgaben nicht gerecht. Er schwächt sie, auch wenn er von dem Demokratieauftrag ausgeht. Er enthält eine Reihe nützlicher Anregungen und Vorschläge, die akzeptabel und zumindest diskutabel sind. Sie werden und müssen uns weiter beschäftigen, vor allem auch uns in den Gremien. Aber er enthält eine fundamentale Fehleinschätzung, nämlich die, als könne man mit einem neuen Zentralsender die Demokratie stärken – ein Zentralsender wie das ZDF mit neun Landesrundfunkhäusern.
Dieser Vorschlag würde zwar eine ganze Reihe von Problemen lösen. Der Ansatz ist gerechtfertigt, aber nicht die Lösung des Problems. Der berechtigte Ansatz ist darin zu sehen, dass der ARD-Verbund nicht hinreichend kontrolliert und rechtlich abgesichert ist – schon lange ein Ärgernis. Zur Lösung dieses Problems bedarf es keiner neuen Superanstalt. Rechtliche Absicherung und Kontrolle der ARD kann auf andere Weise hergestellt werden.
Entscheidend aber ist: Diese neue Konstruktion würde tragende Prinzipien unserer Demokratie verletzen, so die Aufteilung von Macht. Es entstünde eine Programm- und eine Finanzmacht sondergleichen. Es entstünde Medienmacht. Die neue Anstalt hätte die Kompetenz die gesamten Bundesprogramme, auch aller Sparten -und Mediathekenprogramme zu steuern und die Mittel an die neun Landesrundfunkanstalten zu verteilen. Diese würden vor allem beschränkt auf regionale Berichterstattung. Den Ländern wurde im Grundgesetz aber aus gutem Grund die alleinige Zuständigkeit für das Rundfunkrecht zugesprochen. Es sollte pluralistisch geprägt sein. Föderalismus ist manchmal beschwerlich, aber ein Wesenselement unserer Grundrechtsordnung.
Die vom Zukunftsrat angestrebte Vereinfachung würde in Wahrheit zu einer Verarmung führen. Eine zentrale Kulturredaktion, eine Musikredaktion statt der Vielfalt dieser Redaktionen in neun Anstalten, die heute einzeln oder im Zusammenwirken den Kulturauftrag in seiner Vielfalt erfüllen. Soll denn künftig die Erfüllung des Kulturauftrags von einer zentralen Stelle entschieden und finanziert werden?
Gerhart Baum, Neue Musikzeitung, 01.02.2024 (online)