Mit Trauer über die Welt kommt man in dieser Welt nicht weiter. Es gibt am Kino nichts zu lernen. Man müsste im Kino vielmehr die Möglichkeit vorsehen, nichts zu lernen, die Möglichkeit, nicht mitzumarschieren.
Progressiv am Kino war, mediengeschichtlich wie gesellschaftlich gesehen, dass Bildung nicht nötig war, um Zugang zu einer fremden, sprachlosen Welt zu erlangen, die weder durch Kultur noch Schule vertreten wurde und nicht nur jenen wenigen vorbehalten war, denen Voraussetzungen vererbt sind. Man musste im Kino nichts wissen; es war voraussetzungslos – Adorno, geprägt durch den fortgeschrittenen Stand der Kulturindustrie in den USA, war dahingehend skeptischer als Benjamin, dem diese Erfahrung fehlte –; das war radikal neu am Kino. Und das haben die Bildungseliten dem Kino niemals verziehen.
Lars Henrik Gass, filmdienst.de, 17.05.2023 (online)