Professor Frank Brettschneider nennt Momente wie diesen eine „Medienschwelle“. Klettert die AfD in einer Umfrage von 16 auf 17 Prozent, interessiert das niemanden, passiert das bei 17 auf 18 wie in jener Umfrage und liegt gleichauf mit der latent geschädigten SPD, dann sei eine „Medienschwelle“ erreicht. Die Stimmung, die Wirklichkeit und vor allem die machtpolitische Realität haben sich relativ gesehen nicht bedeutend verändert. […]
Inzwischen vermelden Medien die neuesten Umfragewerte der AfD wie Temperaturrekorde. […]
In Ostdeutschland sind die Zustimmungswerte zur AfD schon lang höher als die aktuellen bundesweiten Alarmzahlen. Nur zum Beispiel: 2021 fast 30 Prozent in Sachsen. Menschen, die sich seit Jahren in ländlichen Gebieten Ostdeutschlands engagieren, schreien auch seit Jahren, erzählen von Angriffen, Bedrohungen, von der Radikalisierung. Erzählen, dass die Grünen seit Langem ein Hassobjekt werden. Erzählen, dass das kostenlose Nahverkehrsticket absolut niemanden interessiert in Döbeln, Mittelsachsen.
Marlene Knobloch, sueddeutsche.de, 16.06.2023 (online)