Zitiert: Spiegel war nie ein „Sturmgeschütz der Demokratie“

Der Blick auf Tatsachen ist immer der Blick für Details, für Einzelheiten. Der „Spiegel“ half beim Zivilisationsprozess der Bundesbürger. Er weckte und fütterte ihre Neugierde für die Vorgänge im politischen Alltagsgeschäft, und er gewöhnte sie daran, dass man dabei auch rücksichtslos vorgehen sollte. Die „Spiegelschreibe“ war Ausdruck dieser Haltung, zugleich beförderte sie sie. Der in den frühen Jahren meist anonym bleibende Schreiber war wie ein Autor: Er wusste alles besser. Die in der Wirklichkeit und ihren Widersprüchen sich bewegenden realen Menschen, Politiker oder Bürokraten, waren per se dümmer als die über sie berichtenden Journalisten.

Das war die eigentliche Revolution des „Spiegel“. Er war niemals ein „Sturmgeschütz der Demokratie“. Schon darum nicht, weil in den mehr als 70 Jahren bundesrepublikanischer Geschichte niemals Sturmgeschütze aufgefahren werden mussten, um die Demokratie zu schützen. Die militärische Metapher belügt uns über die – bei allen Auseinandersetzungen – doch zutiefst zivile, friedliche Konstitution der Bundesrepublik. Der Ton der Unbotmäßigkeit – das war die Botschaft des „Spiegel“. Sie war immer verbunden mit der engsten Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen.

Arno Widmann, fr.de 03.01.2021 (online)

Kommentar verfassen

Onlinefilm.org

Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
Out of Space
Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)