Zitiert: Ein Rundfunk nach polnischem Vorbild in Thüringen, Sachsen und Brandenburg?

Mit rechtspopulistischen bis rechtsradikalen Parteien und den Medien ist es so eine Sache: Lassen sich letztere zur Verbreitung der parteieigenen Weltanschauungen und Parolen instrumentalisieren, sind sie der beste Freund, durch unabhängig-kritische Berichterstattung werden sie dagegen zum schlimmsten Feind. Insbesondere der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht wahrlich nicht im Verdacht, AfD-nah zu agieren. Deswegen verwundert es auch nicht, dass sowohl die Bundes-AfD als auch die Thüringische AfD fordern, die Rundfunkstaatsverträge aufzukündigen und den aktuellen durch einen von Grund auf neu konzipierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu ersetzen. Der Thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke bestätigte die Pläne jüngst in einer Rede vom 6. November 2023.

Dieses Jahr könnte die Vision zumindest in einzelnen Bundesländern Realität werden, denn nach aktuellen Wahlprognosen wäre die AfD mit Abstand stärkste Kraft bei den im September abzuhaltenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Gelänge es ihr, Ministerpräsidentin oder Ministerpräsident zu stellen, wäre der Ausstieg aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten voraussichtlich bereits perfekt. Und zwar wohlgemerkt selbst dann, wenn es sich um eine Koalitionsregierung handelt. Nach den Verfassungen der drei Länder kann die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident im Alleingang Rundfunkstaatsverträge aufkündigen, ohne dass hierüber eine Diskussion oder Abstimmung im Landtag stattgefunden hat. Wie kann das sein? Und was könnte man tun? […]

Um einen Alleingang des Ministerpräsidenten zur derartigen Umgestaltung der Medien zu verhindern, ist eine minimale Änderung der Landesverfassungen ausreichend. Die Regelung zu Staatsverträgen – etwa in Thüringen in Art. 77 Abs. 2 – kann dahingehend geändert werden, dass “der Abschluss und die Kündigung von Staatsverträgen der Zustimmung des Landtags bedürfen”.

Natürlich müssen gewählte Ministerpräsidenten in der Lage sein, die Politik ihres Landes auch kurzfristig zu beeinflussen. Jedoch müssen sie ihre Entscheidungen in nahezu allen anderen politischen Bereichen auch mit der übrigen Landesregierung und vor allem dem Landtag diskutieren. Durch die staatsverträgliche Regelung ist das Medienrecht für kurzfristige Einflussnahme durch den Ministerpräsidenten besonders anfällig. Nach der Verfassungsänderung wäre klar, dass die Aufhebung von Staatsverträgen in allen Fällen im Landtag zu beschließen ist. In gravierenden Fällen wie dem Szenario der Kündigung der Rundfunkstaatsverträge kann das Parlament dann seiner Kontrollaufgabe gegenüber der Regierung öffentlichkeitswirksam nachkommen. Wenn es auch zuletzt guter Praxis entsprach, Medienstaatsverträge abseits des Parlaments breit öffentlich diskutieren zu lassen, ist diese Öffentlichkeit nicht garantiert, wenn ein AfD-Ministerpräsident zügig Fakten schaffen will. Eine wehrhafte Demokratie zeichnet sich dadurch aus, nicht auf den guten Willen der involvierten Akteure zu setzen, sondern auch den worst case mitzudenken.

Tobias Mast, Lennart Laude, verfassungsblog.de, 26.01.2024 (online)

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