Zitiert: Klima im NDR-Landesfunkhaus Mecklenburg-Vorpommern

Wir haben von vielen Gesprächspartner*innen gehört, dass die Beanspruchung enorm und die Stimmung zum Teil angespannt bis schlecht sei. Mehr noch, sie sei in den vergangenen Jahren zunehmend aggressiver, angespannter, gereizter geworden. „Vor allem die psychosozialen Belastungen sind hoch.“ Zudem wurde mit uns häufig die Wahrnehmung geteilt, dass man sich im Vergleich zu anderen Bereichen des NDR benachteiligt fühle. „In Mecklenburg-Vorpommern wird immer zuerst gespart.“

Aus den Gesprächen in den Regionalstudios haben wir in Bezug auf die generelle Stimmung im Landesfunkhaus mitgenommen, dass man froh sei, weit weg von Schwerin zu arbeiten, und sich die Zusammenarbeit mit der Zentrale in Schwerin eher schwierig gestalten würde. „Es gibt kein Feedback oder eine kritische Auseinandersetzung mit unseren Beiträgen. Die Leitung ist zu weit weg und kommuniziert zu wenig.“ Oder: „Hier bei uns ist die Kommunikation und Wertschätzung super. Besonders mit der neuen Studioleitung. In Schwerin hingegen ist man sehr mit sich selbst beschäftigt.“ „Ich erlebe mein Team als familiär und geschützt vor der Stimmung im Landesfunkhaus. Ich hatte noch nie einen Chef, der sich so für mich eingesetzt hat.“ In Bezug auf die Führungskultur wiederholt sich in Mecklenburg-Vorpommern ein Muster: Einerseits werden Beschwernisse der Mitarbeitenden mit der höchsten Führungsstufe in der Hierarchie verbunden. „Hier wird gemacht, was Napoleon auf dem Schlachtplan hat.“ Oder: „Wir lügen uns in Schwerin in die Tasche. Wir sollen Vorreiter sein im NDR? Das ist Bullshit.

Das sind potemkinsche Dörfer. Hier wird alles top-down entschieden. Es ist klar, wer hier die Ansagen macht. Die Hausführung hat die Leute eingelullt. Wir haben ermüdende, mäandernde Prozesse. Die Effizienz ist unterirdisch. Da ist so viel Fassade.“ Andererseits richtet sich Kritik an einige Führungskräfte, die fachlich und/oder menschlich problematisch seien. Diese würden respektlos mit Menschen umgehen, Mitarbeitende anschreien, einschüchtern und mit Vorurteilen überziehen.

Bemerkenswert ist, dass es in Mecklenburg-Vorpommern die höchste Quote an freien Mitarbeitenden mit einer Beschäftigung über der 15-Jahres-Grenze gibt. „Unsere Freien, das ist der graue Arbeitsmarkt.“ Daran zeigt sich die größte strategische Herausforderung dort: das Nachwuchsproblem.

Vielen freiberuflichen Journalist*innen erscheint es wenig attraktiv, beispielsweise in Neubrandenburg in der regionalen Berichterstattung zu arbeiten. „Es gibt freie Stellen bei uns in der Vergütungsgruppe 3, auf die sich niemand der freien Mitarbeitenden aus Hamburg bewirbt.“

Die Zusammenarbeit zwischen festangestellten und freien Mitarbeitenden im Landesfunkhaus Mecklenburg-Vorpommern schildern viele unserer Gesprächspartner als besonders schlecht, mit zum Teil drastischen Beschreibungen: „Es gibt hier ein gewaltiges Gefälle zwischen Festen und Freien. Wer frei arbeitet, der hat es nicht geschafft. Da werden in der Behandlung der Mitarbeitenden fachlich und menschlich sehr große Unterschiede gemacht.“ Oder: „Im Landesfunkhaus Mecklenburg-Vorpommern fühlen sich viele Festangestellte als etwas Besseres. Über Freie wird ohne Respekt und Wertschätzung gesprochen. Das ist systematisches Mobbing.“

Große Sorgen äußern Mitarbeitende zudem über die aus ihrer Sicht abnehmende journalistische Qualität. „Unsere Alleinstellungsmerkmale geraten in den Hintergrund.“ Zudem gäbe es im Landesfunkhaus immer häufiger Autor*innen, die keine journalistische Ausbildung hätten und überfordert wären. „Was wir derzeit journalistisch und programmlich in Mecklenburg-Vorpommern anbieten ist hanebüchen, aus dem vorigen Jahrhundert. Der Kaiser ist nackt. Wir müssen dringend klären, was wir wollen, wohin wir wollen.“

(NDR Klimabericht. Analyse von Unternehmenskultur und Betriebsklima im Norddeutschen Rundfunk. März 2023. S. 58 f. online)

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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